Rezession – ja oder nein? Warum Anleger diese Frage nicht beantworten müssen
7. September 2022
Schon seit Monaten geistert es durch den Finanzteil der großen Tageszeitungen. Das „R-Wort“ hat die Märkte derzeit im Griff. In den USA ist die Rezession bereits Realität – immerhin ist dort die Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und die Definition der Rezession damit erfüllt. Doch was bedeutet dieser Umstand überhaupt für die Perspektive der Märkte?
Dass die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten bereits geschrumpft ist, hat für die Entwicklung der Aktienkurse in den kommenden Monaten möglicherweise nur noch eine überschaubare Relevanz. Warum? An der Börse wird die Zukunft gehandelt. Eine technische Rezession, die sich lediglich statistisch bemerkbar macht, beeinflusst die Kurse nicht allzu sehr, wenn es bei der technischen Rezession bleibt. Dieses können nur die kommenden Monate zeigen, indem die US-Notenbank Fed tätig wird und die Zinsen erhöht. Eines steht auch fest: Sobald die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt – und das wird sie über kurz oder lang –, entsteht am Aktienmarkt sicherlich wieder ein hohes Potenzial für steigende Kurse, denn einzelne Branchen und damit Unternehmen sind zu Unrecht abgestraft worden. Und: Da Aufschwünge in der Regel länger anhalten als Abschwünge und die Verunsicherung in den vergangenen Monaten groß war, könnte eine Erholungs-Rally sehr deutlich ausfallen.
Selbst in der Rezession gelingen erfolgreiche Investments
Zwar steht die Eurozone noch vor einer möglichen Rezession, doch dürfte diese in den Kursen bei einigen Unternehmen schon eingepreist sein. Natürlich ist dies gerade von den nächsten – aus meiner Sicht entscheidenden – Wochen abhängig, denn es gilt den Blick hierzulande auf die EZB und deren zukünftigen Inflationsbekämpfungskurs zu werfen sowie einen weiteren Belastungsfaktor rund um das Thema Energieversorgung. Die Märkte auf dem alten Kontinent sind aufgrund der hohen Inflation, steigenden Zinsen, schwächelnden Wirtschaft, löchrigen Lieferketten, der Energie-Schieflage und weiterer Sollbruchstellen schon lange skeptisch. Die globale Wachstumslokomotive ist und bleiben daher die USA, die im Falle einer Rückkehr auf den Wachstumspfad höchstwahrscheinlich auch Europa mitziehen dürften.
Und selbst wenn es an den Märkten noch einige Monate länger ungemütlich bleiben sollte: Branche ist nicht gleich Branche. Während der Stahlkonzern oder der Chemie-Riese unter dem Worst Case Szenario in Europa wohl leiden dürfte, könnten beispielsweise Unternehmen rund um die Digitalisierung und Automatisierung oder auch Wasserstoff-Visionäre bereits profitieren. Wenn große Unternehmen sparen müssen, profitieren diejenigen, die Sparpotenziale heben. Anleger finden also in nahezu jeder Phase interessante Langfrist-Chancen, um zu investieren, mit Blick auf die zukünftige Entwicklung. Es gilt nur, die attraktivsten und aussichtsreichsten Branchen zu identifizieren. Doch das ist einfacher gesagt, als getan. Gerade in so herausfordernden Zeiten wie derzeit gelingen kluge und Gewinn bringende Investments nur mit viel Wissen und jahrzehntelanger Erfahrung. So ist es sicherlich keine allzu gute Idee, sich nun einfach ein Unternehmen aus einer der oben genannten Branchen ins Depot zu legen. Denn auch innerhalb der Sektoren zeigen sich große Unterschiede. Manche Unternehmen glänzen bereits mit schlanken Prozessen und stabilen Margen, andere Unternehmen kränkeln und müssen in Zeiten der Zinswende einen teuren Schuldendienst leisten.
Wer die Risiken begrenzen möchte, positioniert sich am ehesten bei robusten Unternehmen aus Branchen mit Zukunft. Robust bedeutet ist diesem Fall unter anderen: ein erfahrenes und krisenerprobtes Management, eine bekannte Marke mit einer herausragenden Marktstellung und ein hoher Cashflow. Wer es spekulativer mag, kann hier und da auch bewusst ins Risiko gehen! So könnten etwa auch Unternehmen mit hoher Fremdkapitalquote durchaus Chancen bieten; wenn sich abzeichnet, dass die Inflation ein wenig an Schrecken verliert und die Zinswende in einigen Quartalen ein Ende findet.
Raum für positive Überraschungen
Kurzum: Aktien sind und bleiben alternativlos. Selbst und gerade inmitten einer Rezession finden sich am Aktienmarkt Chancen, um Vermögen langfristig zu sichern und zu mehren. Die aktuellen Inflationsraten zeigen, dass zu langes Abwarten die Falscheste aller Entscheidungen ist, denn der Kaufkraftverlust schreitet eben durch die Inflation weiter voran und dies merken wir alle im täglichen Leben. Rückenwind für Optimisten kommt auch von Seiten der Marktzyklik: Die letzten Quartale des Börsenjahres zeigen sich oft von ihrer freundlichen Seite. Egal, ob die Rezession in den USA so schnell verfliegt, wie sie gekommen ist, oder ob die Unsicherheit noch ein wenig bleibt. Wer bei Aktien auf Qualität setzt und mit Augenmaß investiert, profitiert langfristig. Dieses Prinzip funktioniert an der Börse immer – auch in der Rezession und wenn die Marktstimmung am Tiefpunkt ist. Es gibt Raum für positive Überraschungen!
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Über den Autor:
Dr. Markus C. Zschaber, Gründer und Geschäftsführer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft, gilt als einer der erfahrensten und renommiertesten Vermögensverwalter in Deutschland und begleitet alle Prozesse im Unternehmen aktiv mit.
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